Zahlen – dann zuschlagen dürfen

München, Berlin oder Halle. Und nun auch Paris. Gewerbliche Wut-Räume, sogenannte Fury Rooms, sind offenbar der neueste Schrei, um Dampf abzulassen. Gemobbte Assistenten, überforderte Projektleiter oder gestresste Angestellte können für 60 Euro eine Stunde im geschützten Raum mit Baseballschläger oder Vorschlaghammer PCs, TV-Geräte oder Möbel zerstören.

Die „Stuttgarter Zeitung“ hat am Donnerstag (9.11.) über das boomende Geschäftsmodell berichtet. Offenbar läuft das Angebot so gut, dass bspw. das Pariser Start-up bereits expandieren muss. Dort dürfen sich aggressive Kunden in einem Keller in der City austoben, nachdem sie bezahlt, eine Schutzkleidung samt Helm mit Visier angelegt und ein Schlagwerkzeug ausgewählt haben.

Kommerzielle „Lösungen“ statt Heilung

Als gelernter Journalist finde ich den Beitrag ja tollen Lesestoff. Als qualifizierter Gestalttherapeut und Business-Coach aber zeigt mir das Beispiel die Dekadenz unseres Handelns: Wir identifizieren Probleme (Marktlücken) und kreieren dafür kommerzielle Lösungen. Das Gute daran für Marktwirtschaft und Bruttosozialprodukt:

Der Kunde kommt wieder, weil er nicht die Ursachen seiner Aggression behebt, sondern nur die Symptome kuriert. Das bringt Umsatz.

Als Therapeut aber unterstütze ich meinen Klienten grundsätzlicher und tiefer.Mit meinen Methoden und (Frage-)Techniken bringe ich ihn in sein Gefühl, damit er spürt, woher seine Aggression kommt und was ihn warum unter Dampf setzt. So kann er seine Muster erkennen, warum und wie bspw. sein Vorgesetzter ihn demütigt bzw. was er an dessen Verhalten als demütigend erlebt und warum.
Wir können das gemeinsam anschauen, damit der Klient sich selbst besser verstehen und kennen lernt. Dann können wir Handlungsalternativen entwickeln, was der Mitarbeiter bspw. in der konkreten Situation erwidern könnte oder wie er sich auf ein grundsätzliches Gespräch mit der Person vorbereitet, die ihm die Pein verursacht, damit er die Ausgangslage verändert.

Veränderung ist notwendig

Dasselbe gilt für Sachverhalte, die sich nicht an Personen, sondern an Situationen festmachen lassen, z.B. die Unfähigkeit, sich zu entscheiden, oder sich zu viel zuzumuten. Dann gilt es herauszufinden: Warum und wie mache ich mich unfähig? Wozu nützt mir die Unfähigkeit? Oder welche Person aus meinem Umfeld repräsentiert diese Unfähigkeit am idealtypischsten? So kann sich der Klient in seine Freiheit vorwärtstasten, gerne unterstützt von einem Mentor an seiner Seite.

Das Zerstören aber, glaube ich, tut auf Dauer nur dem Bankkonto des Betreibers gut. Das Labor, in dem sich der Zahlende (bis zur Erschöpfung) austoben darf, erinnert mich eher an Killerspiele am PC, die auch die Psyche verändern können. Denn irgendwann reicht es der geschundenen Kreatur vielleicht nicht mehr, sich nur im Keller von Zeit zu Zeit auszutoben. Dann kreuzt er mit dem Baseballschläger am Arbeitsplatz oder zu Hause auf.

Veränderung ist deshalb dran.

Dauerhafte.

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