Wahrnehmung lässt sich verändern
Unser Bewusstsein filtert ständig wichtige und unrelevant Informationen. Wer es erweitert, also seine Persönlichkeit reifen lässt, wird durchlässiger, offener und kann seine Umgebung facettenreicher wahrnehmen. Wobei es um die Offenheit für neue Erfahrungen geht, wie Luke Smillie im Magazin Scientific American schreibt.
Studien belegen, dass offene Menschen gerne Neues lernen und kreativ sind. Sie Lesen viel, lieben Musik oder gehen ins Theater. Ihre politische Einstellung ist eher liberal. Durch diese Haltung sehen Fachleute eine „größere Breite, Tiefe und Durchlässigkeit des Bewusstseins weltoffener Menschen“.
Divergentes Denken
Belegt ist auch, dass Offenheit die Gestaltungskraft fördert, das so genannte divergente Denken. Selbst für Dinge des Alltags fällt offenen Menschen mehr ein, als das Offensichtliche. Deutlich wird das, wenn sie sich überlegen sollen, für was man einen Ziegelstein verwenden kann. Neben dem Naheliegenden, etwa zum Bauen von Häusern oder Mauern, haben offene Leuten weitere Ideen: Er kann als Wurfgerät oder Waffe dienen, ein Bett stützen oder man kann ihn zerkleinern und damit malen.
In der Gestaltarbeit üben wir diese Art der Bewusstseinserweiterung. Etwa durch eine paradoxe Intervention. Ein Teilnehmer hat einen Glaubenssatz wie „Mein Chef gibt mir nicht mehr Geld“. Als Trainer hinterfragen wir, wieso er das meint. Dazu werfen wir ihm Überzeichnung zu und laden ein, das eigene Spektrum zu erweitern. Etwa so: „Dein Chef bezahlt nur das, was er von dir bekommt.“ Oder „Das ist Kapitalismus, es gibt nur Gewinner und Verlierer“ – das geht so lange, bis der Teilnehmer erkennt, dass seine Meinung nur ein Glauben ist und er diesen beliebig transformieren und sogar ablegen darf. In unseren Gruppen kann er zudem die Gehaltsverhandlung mit dem Chef üben und so in einem sicheren, wertfreien Raum sein erweitertes Spektrum sattelfest machen.
Dopamin sorgt für Offenheit
Hintergrund: Im Alltag neigen wir zur latenten Hemmung. Wir wollen effektiv denken und handeln, wir haben gelernt, Dinge selektiv wahrzunehmen. Denn es ist viel zu anstrengend die Signale aller Sinneskanäle immer und vollständig zu verarbeiten. Wir konzentrieren uns auf Details, den überflüssigen Rest blenden wir aus. Das Problem: Aussortierte Informationen können zu späterer Zeit wertvoll sein. Dann aber ist es zu spät, um zu lernen, dass sie doch nicht so unrelevant waren.
Was genau sich im Gehirn offener Menschen abspielt, ist noch wenig erforscht. Der Botenstoff Dopamin spielt wohl eine Rolle. Er signalisiert den Wert einer Information. Das könnte erklären, wieso offene Menschen feinere Antennen haben und sie viele mehr als gewöhnlich Eindrücke und Ideen entdecken und verarbeiten können. Sie haben ein sehr gut funktionierendes Dopamin-System.